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Künstler*innen werden im allgemeinen Verständnis als äußerst sensible Persönlichkeiten betrachtet, die Eindrücke aus ihrer Umgebung sammeln und in ihren Werken letztendlich das ausdrücken, was diese in ihnen auslöst. Diese Ausdrucksformen können kritisch sein, tiefste Faszination ausdrücken, als Kommentare gelesen werden oder Fragen aufwerfen, die den Künstler*innen bei genauerer Betrachtung in den Sinn kamen. In jedem Fall reagiert jede Form von Kunst auf irgendeine Realität der Schaffenden.

Eine besonders direkte Verbindung zur unmittelbar umgebenden – oftmals gebauten - Realität stellen sogenannte "in situ"-Arbeiten her. Dieser Begriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt "am Ort". In der Kunsttheorie wird er für Installationen verwendet, die sich unmittelbar auf den Ausstellungsort beziehen und sich räumlich in ihn einschreiben.

Die studierte Architektin Claudia Fritz zeigt eine klare Faszination für die Auseinandersetzung mit dem umgebenden Raum. In ihren künstlerischen Werken fokussiert sie sich auf thematische Werkserien, die oft mit Konzepten des Raums, der Raumatmosphären oder ephemeren Lichtzeichnungen im Raum in Zusammenhang stehen. Dabei widmet sich Claudia Fritz gezielt den Eigenheiten der Fotografie. Als Fotokünstlerin setzt Fritz in ihren Arbeiten Versatzstücke der Wirklichkeit ein. Mit ihrer Kamera richtet sie ihren Blick auf scheinbar unwichtige Details unserer Alltagswirklichkeit und rückt vermeintliche Kleinigkeiten oder auch Nebensächlichkeiten ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Frage nach Abbild und Wirklichkeit, als traditionellem Begriffspaar, hat in der kunsthistorischen Diskurslandschaft eine lange Relevanz erfahren. Insbesondere mit dem Aufkommen der Fotografie scheinen beide Begriffe zunehmend zu verschmelzen. Allerdings manifestiert sich in der Fotografie stets nur ein von den Künstler*innen bestimmter Ausschnitt, der lediglich einen Teil der umgebenden Realität abbildet. Seit 2016 beschäftigt sich die Künstlerin intensiv mit in situ-Arbeiten, insbesondere im Kontext von Fotoarbeiten. Für ihre Ausstellung in situ (Pettneu) im Jahr 2016 konzipierte die Künstlerin erstmals sämtliche Arbeiten direkt vor Ort. Diese methodische Herangehensweise setzte sie später auch für eine Ausstellung im artdepot Innsbruck fort, indem sie Ausblicke, Gegenstände und räumliche Aspekte des umgebenden Ausstellungsortes zum Sujet ihrer Fotoplastiken machte.

In der Ausstellung in situ openspace greifen ihre Arbeiten Elemente der unmittelbaren architektonischen Umgebung des Ausstellungsraumes auf und rezipieren sie. Oft werden dabei verschiedene Varianten eines einzelnen Objekts präsentiert, um durch Multiperspektiven einen Perspektivenwechsel bei den Betrachter*innen herbeizuführen.
Thematisch und formal erfolgt die künstlerische Aneignung bei allen Arbeiten im openspace ähnlich. Fritz fotografiert ihre Objekte stets aus verschiedenen Blickwinkeln und konzentriert sich dabei auf charakteristische Elemente und prägnante Raumausschnitte. Der Fokus liegt also auf dem Aufspüren interessanter gestalterischer Details. Der Ausstellungsraum im openspace präsentiert sich als vermeintlicher White Cube mit einigen gestalterischen Feinheiten, die Fritz in ihren Werkserien gekonnt in Szene gesetzt hat.

In der monochromen vierteiligen Serie o.T. (in situ openspace K) rückt sie beispielsweise die beiden Türöffnungen zu den Lagerräumen und die Empore in den Fokus. Die Fotos sind in kühlen Schwarz-Weiß-Tönen gehalten. Durch Methoden wie Knicken, Schneiden und Biegen werden die Fotografien zu Wandobjekten.
Durch die Umwandlung des zweidimensionalen Fotos zu einem dreidimensionalen Objekt werden die Betrachter*innen zu einer Handlung animiert. Sie müssen sich vor der Arbeit und um das Objekt bewegen, um das Kunstwerk vollständig rezipieren und begreifen zu können. Hierbei wird die passive Rezeption des "Bilderschauens" durch eine aktive Teilnahme abgelöst, wobei diese Aktivität in Kombination mit einem Wechsel der Perspektive als unerlässlicher Aspekt der künstlerischen Arbeit konzipiert ist.

Eine ähnliche Herangehensweise wählt die Künstlerin auch für ein sehr signifikantes Möbelstück: Die Treppe zur Empore, die gleichzeitig als Regal dient. Aus unzähligen Fotos, die von dem Objekt entstanden, wählte Claudia Fritz mehrere Ansichten aus. Sie begann damit, die Treppe in den Ansichten freizustellen und zu untersuchen, welche Wirkung die Entkontextualisierung auf das Möbelstück hat. Dieses Prozedere ist für die Künstlerin auch ein Lern- und Entdeckungsprozess. Sie fotografiert und untersucht, um zu verstehen, wie die Objekte funktionieren und wie sie im Raum wirken. In dieser Annäherung spielt die Künstlerin mit verschiedenen Herangehensweisen, darunter Fotoüberlagerungen, Zuschnitte und Faltungen. Die Fotografien von Claudia Fritz bleiben selten reine zweidimensionale Bilder, sondern werden meist zu Wandobjekten weiterentwickelt. In der Serie o.T. (insitu openspace T) werden beispielsweise Ansichten und Draufsichten als künstlerisch abstrahierte Architekturpläne auf Karton aufgebracht und durch Kantungen zu Objekten geformt. In der Detailansicht arbeitet die Künstlerin mit einer Überlagerung von Fotografien mithilfe von Glasscheiben, wodurch einzelne Elemente vervielfacht und mit dem Abbild überlagert werden. Das vierte Bild der Serie wirkt ebenfalls wie eine solche Überlagerung mit Glasscheiben. Tatsächlich entstand die Verschiebung der Objekte durch eine Langzeitbelichtung des Objekts und einer Abwärtsbewegung des Stativs während des Fotoprozesses.
In diesem Kontext entwickeln sich zahlreiche visuelle und inhaltliche Schichten, die für die Betrachter*innen eine anspruchsvolle Aufgabe darstellen, da sie die Wahrnehmung auf intensive Weise herausfordern. Die unterschiedlichen Blickwinkel auf die Treppe, verbunden mit Spiegelungen und den Kantungen des Bildträgers, schaffen eine Irritation zwischen der dargestellten und der tatsächlichen dreidimensionalen Realität.

Die Fotografie löst sich am deutlichsten in der Skulptur auf dem Sockel mit dem Titel o.T. (in situ openspace W1) auf. Hier übersetzt die Künstlerin die eigenwillige Situation zwischen Empore und dem Innenfenster, indem sie die Perspektive auf einen Block überträgt und mithilfe eines Fotos die Eindrücke von Erker, Balustrade und dem Hintergrund zusätzlich betont. Das Objekt wurde in einer Diagonale zur realen Situation im Raum präsentiert und steht damit in einer unmittelbaren Sichtbeziehung zum gebauten Vorbild.

Die längliche Wandarbeit o.T. (in situ openspace ST1), die auf den ersten Blick wie eine Endlosschleife wirkt, geht im Gegensatz dazu wieder mehr in die Fläche. Darauf abgebildet sind die variablen Schiebeelemente im Ausstellungsraum. Die Durchblicke geben den Blick frei auf die dahinterliegenden Möbel und Einrichtungsgegenstände und suggerieren dadurch eine Bewegung der Elemente. Insgesamt handelt es sich um eine Anordnung von drei mal drei Fotografien in einem Raster, die diesen Effekt erzeugen.

Claudia Fritz verwendet ein vergleichbares Raster auch in ihrer Fotoserie o.T. (in situ openspace S1), die wie ein Raumteiler von der Decke hängt. Der Fotovorhang setzt sich aus einzelnen Fotografien zusammen, die entlang einer Diagonalen im Raum mit sieben unterschiedlichen Standpunkten und acht verschiedenen Höhenpunkten aufgenommen wurden. Die Künstlerin nähert sich dem Objekt also aus verschiedenen Perspektiven. Diese Anordnung entwickelt eine nahezu filmische Sequenz, die über den dargestellten, statischen Raum hinaus die Bewegung der Künstlerin im Raum abbildet. Die serielle Struktur wirkt dabei wie eine minimalistische Komposition. Fritz nutzt die rasterförmige oder serielle Anordnung als formales Prinzip, was ihrer grundsätzlich konstruktiven Haltung und der effizienten ästhetischen Darstellung von Themen der Wahrnehmung geschuldet ist. Auf der Rückseite inszeniert sie dieselbe Abfolge in invertierter Form.

Direkt am Ein- bzw. Ausgang präsentierte Claudia Fritz noch die Werkserie o.T. (in situ openspace F), die die pinke Eingangstüre des Ausstellungsraums in den Fokus rückt. Mithilfe von Faltungen bringt Fritz die Fotografien in ein einheitlich quadratisches Format, das durch stabile Rahmen zusätzlich betont wird. Auch hier lösen sich die Fotografien von der Fläche und werden zu Wandobjekten, die die Betrachter*innen dazu einladen, neugierig zu untersuchen und sich um das Objekt herum zu bewegen.

Mit ihrer Kunst fordert Claudia Fritz vertraute Sehgewohnheiten heraus und setzt sich intensiv mit Fragen zur Wahrnehmung auseinander. In ihrer künstlerischen Herangehensweise behandelt sie Themen im Spannungsfeld zwischen Darstellung und Abstraktion. Dabei zeichnen sich ihre Werke durch sowohl formale als auch inhaltliche Komplexität aus, wobei sie gezielt die Schönheit und symbolische Bedeutung des Alltäglichen in den Fokus rückt. Bei "in situ"-Arbeiten, insbesondere für Wechselausstellungen, ist die Frage nach dem Danach omnipräsent. Claudia Fritz schafft es auf ihre eigene Art, Werke mit räumlichem Bezug zu schaffen, die dennoch innerhalb ihrer Serien in sich abgeschlossen sind, so dass sie auch in anderen Ausstellungen weiter gezeigt werden können.

Lena Ganahl
über mich
Claudia Fritz
Bilder in situ openspace